Sachstand zum Bundeskinderschutzgesetz
Der Bundesrat begrüßt in seiner Stellungnahme vom 27. Mai 2011 die generelle Zielsetzung für ein Bundeskinderschutzgesetz. Gleichzeitig sieht er jedoch einen umfangreichen Nachbesserungsbedarf. Er bedauert, dass die Bundesregierung den präventiven Schutz von Kindern als alleinige Aufgabe der öffentlichen Jugendhilfe ausgestaltet. Es sei notwendig, auch die Rahmenbedingungen des Gesundheitswesens zu verbessern. Das Gesundheitswesen solle in die staatliche Mitverantwortung genommen werden. Der Bundesrat fordert den Einsatz von Familienhebammen zu streichen. Stattdessen soll der Behandlungszeitraum der normalen Hebammen von zwei auf sechs Monate verlängert werden. Die vorgesehenen Regelungen zur Einführung verbindlicher Standards im Kinderschutz sollen gestrichen werden. Der Bundesrat erwartet, dass der Bund die durch das Gesetz entstehenden finanziellen Mehrbelastungen der Länder dauerhaft und vollständig ausgleicht.
Die Bundesregierung hat sich am 22. Juni 2011 zur Stellungnahme des Bundesrats geäußert. Sie hat die oben genannten Änderungsvorschläge des Bundesrats abgelehnt. Zugestimmt hat die Bundesregierung der Forderung des Bundesrates, dass die Verantwortung für Kinderschutznetzwerke klar beim örtlichen Träger der Jugendhilfe liegen soll. Der Bundestag hat den Gesetzentwurf am 01.07.2011 in erster Lesung beraten und zur weiteren Beratung an die Ausschüsse des Bundestags überwiesen.
Stärkung der Kinderrechte
Am 17. Juni 2011 hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen dem Entwurf des Zusatzprotokolls zur UN-Kinderrechtskonvention zur Errichtung eines Individualbeschwerdeverfahren für Kinder zugestimmt. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen muss dem Zusatzprotokoll noch zustimmen. Wird der Entwurf angenommen, steht er den Staaten zur Unterzeichnung und Ratifizierung offen. Mit dem Individualbeschwerdeverfahren erhalten Kinder die Möglichkeit, Verletzungen ihrer Rechte im Ausschuss für die Rechte des Kindes der Vereinten Nationen in Genf zu rügen.
Verstoß gegen Grundrechte bei gerichtlicher Anordnung einer Psychotherapie
Der gerichtlichen Anordnung, dass sich ein Elternteil wegen eingeschränkter Erziehungsfähigkeit einer Psychotherapie unterziehen soll, fehlt es an einer Gesetzesgrundlage. Sie stellt einen Eingriff in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht dar. Da die Psychotherapie regelmäßig eine Analyse der seelischen Verfassung und persönlichen Denkweisen des Patienten durch den Therapeuten erfordert und vom Patienten seinerseits eine intensive Auseinandersetzung mit sich selbst verlangt, berührt die Psychotherapie den höchstpersönlichen, durch Art. 2 I i.V. mit Art 1 I GG geschützten Lebensbereich. BVerfG, Beschluss vom 01.12.2010 – 1 BvR 157210
Unzulässige Selbstbeschaffung eines Internatsbesuchs
Eine Selbstbeschaffung von Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Form eines Internatsbesuchs wegen ADS ist nur dann im Sinne des § 36a Abs. 3 SGB VIII wegen Dringlichkeit zulässig, wenn auch ein vorübergehender Verbleib bis zur Entscheidung des Jugendamts in der bisherigen Schule unzumutbar ist. Ansprüche nach § 35a SGB VIII bestehen nicht fort, wenn im Verlauf eines Schulbesuchs im Internat die Teilhabebeeinträchtigung entfällt und sie auch bei erneutem Wechsel auf eine öffentliche Schule nicht sicher droht. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen und damit ein Berufungsurteil des Verwaltungsgerichtshofs Hessen bestätigt. BVerwG, Beschluss vom 17.02.2011, 5 B 43.10
Keine Befangenheitsablehnung von Mitarbeitern des Jugendamts in gerichtlichen Verfahren
In Kindschaftssachen ist nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts Celle eine Ablehnung von Mitarbeitern des Jugendamts oder des Jugendamts selbst wegen Befangenheit nicht möglich. Das Gericht hat eine Beschwerde gegen eine Entscheidung des zuständigen Amtsgerichts zurückgewiesen mit der Begründung, dass eine Ablehnung wegen Befangenheit gemäß § 6 FamFG in Verbindung mit §§ 41 ff ZPO schon nach dem ausdrücklichen Wortlaut in § 6 FamFG ausschließlich gegenüber Gerichtspersonen in Betracht kommt. Dies sind Richter, Rechtspfleger oder Urkundspersonen. Eine entsprechende Anwendung kommt nur insoweit in Betracht, als innerhalb eines justizförmigen Verfahrens Amtsträger oder Stellen vergleichbar tätig sind. Mitarbeiter des Jugendamts zählen nicht zu diesen Stellen. Das Jugendamt ist nicht Hilfsorgan des Gerichts sondern nimmt eine selbständige gesetzliche Aufgabe wahr.
OLG Celle, Beschluss vom 25.02.2011 – 10 WF 48/11
Kindergeld für Geschwister zählt bei der Berechnung des Kostenbeitrags nicht als Einkommen
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass bei der Berechnung des jugendhilferechtlichen Kostenbeitrags das Kindergeld, das für die Geschwister des untergebrachten Kindes gezahlt wird, nicht zum Einkommen der Eltern zu zählen ist. Nach dem Jugendhilferecht zählen Einkünfte aus staatlichen Leistungen nicht zum Einkommen, die einem „ausdrücklich genannten Zweck“ dienen. Dies trifft auf das Kindergeld zu. Nach den gesetzlichen Regelungen, namentlich im Einkommensteuergesetz, dient das Kindergeld in erster Linie der Sicherung des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung. Das Kindergeld ist danach eine für das jeweilige Kind bestimmte Leistung. BVerwG, Urteil 5 C 10.10 vom 12. Mai 2011.
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