Newsletter Mai 2019
 
 
KVJS-Newsletter Jugendhilfe Titelbild
 
 

Guten Tag,

alle reden vom Kinderschutz, und dann dieses Urteil vom Bundesgerichtshof. Man reibt sich die Augen und fragt sich: Wie passt das in die aktuelle Kinderschutzdiskussion? Und vor allem fragt man sich, welche Lehren die Justiz aus den jüngsten tragischen Ereignissen gezogen hat.

Was ist passiert?
Einem zu einer Freiheitsstrafe verurteilten Sexualstraftäter wurde jeder Kontakt zu Kindern und Jugendlichen über Internetplattformen untersagt. 2016 ist dieser Mann mit der Mutter einer minderjährigen Tochter zusammengezogen.
Als 2018 das Jugendamt davon erfuhr, nahm es das Mädchen in Obhut. Auf die Klage der Mutter ordnete das Amtsgericht die Herausgabe des Kindes an. Das Oberlandesgericht entzog im anschließenden Verfahren der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht und ordnete eine Ergänzungspflegschaft an. Es hielt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines sexuellen Missbrauches der Tochter für gegeben.
Nun hat der BGH entschieden, dass ein Eingriff in die elterliche Sorge nur bei „einer ziemlichen Sicherheit eines Schadenseintritts verhältnismäßig“ ist. Ein „hinreichender Verdacht“ reiche nicht aus. Sorgerechtseingriffe also nur, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein sexueller Missbrauch stattfinden wird?

Interessant ist auch ein Nebenaspekt des Urteils:
Der BGH hielt in diesem Fall eine sozialpädagogische Familienhilfe für überlegenswert: „Auch wenn ein Kontrollauftrag (…) nicht originäres Ziel einer sozialpädagogischen Familienhilfe ist, hindert das einen Familienhelfer nicht, dem Familiengericht zeitnah von möglichen Veränderungen zu berichten, so dass hinreichend Gelegenheit bestünde, den Sachverhalt aufzuklären und angemessen zu reagieren.“

Der Familienhelfer soll also beobachten und das Familiengericht informieren damit sichergestellt ist, dass der Partner der Mutter nicht übergriffig wird? Da ist sie wieder, die von Gerichten oft bemühte Gewährsträgerschaft und Kontrollpflicht der Jugendhilfe. Gerade nach dem Staufener Missbrauchsfall müsste die Justiz die Möglichkeiten und Grenzen der Kinder- und Jugendhilfe kennen. Jugendhilfe soll dazu beitragen, dass sich ein Kind zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit entwickelt. Es ist nicht ihre Aufgabe, einen Sexualstraftäter in seiner Bewährungszeit und darüber hinaus zu überwachen. Jugendhilfe kann dafür keine Verantwortung übernehmen.
Eine Diskussion des BGH-Urteils und seiner Konsequenzen ist dringend nötig.

Nähere Infos zum Urteil finden Sie hier

 

 

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