Jahrestagung Offene Kinder- und Jugendarbeit 2019

In was für einer Gesellschaft wollen wir leben? Mit diesen und anderen Fragen setzten sich die Referierenden und Teilnehmenden bei der Jahrestagung auseinander.

„Offene Kinder- und Jugendarbeit – offene Gesellschaft – Jugendliche Lebenswelten im Härtetest“: Unter diesem Leitgedanken trafen sich mehr als 120 sozialpädagogische Fachkräfte vom 27. bis 28. Mai 2019 im KVJS-Tagungszentrum Gültstein, um bei der diesjährigen Jahrestagung über die Entwicklung der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in einer offenen Gesellschaft zu diskutieren.

„Offen: Offenheit gegenüber anderer Kulturen und Religionen, Offenheit gegenüber unterschiedlichen Lebensentwürfen, Offenheit gegenüber verschiedener Gruppierungen, Offenheit für alle sozialen Milieus, Offenheit, sich auf Neues einzulassen, aber auch die klare Abgrenzung zu abwertenden Haltungen, Gewalt und Ausgrenzung.“ Mit diesen Worten eröffnete Marion Steck, Leiterin des Referats 44 – Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit, Frühe Hilfen, Förderprogramme, Fortbildung beim Landesjugendamt des KVJS, die diesjährige Jahrestagung und trifft damit den Nerv der Zeit. Denn stärker denn je ist diese Offenheit der Gesellschaft und der Offenen Kinder- und Jugendarbeit bedroht und entgegengesetzten Strömungen ausgesetzt. Nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. „Hier sind Sie gefordert, die jungen Menschen auf ihrem Weg des erwachsen Werdens zu begleiten“, betonte Marion Steck. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Jugendfreizeitstätten Baden-Württemberg e. V., Martin Wetzel, setzte in seiner Begrüßungsrede an diesem Punkt an und ergänzte: „Es ist prägend, welche Vorstellungen wir selbst von dieser ‚offenen Gesellschaft‘ haben, von einem gelingenden Miteinander, von Vielfalt, erweiternder Bereicherung und notwendiger Begrenzung.“ Wer Offenheit erlebt, sich selbst bestätigt fühlt und nicht ausgegrenzt wird, weiß dies auch zu schätzen. Was hierzu die Offene Kinder- und Jugendarbeit leisten und wie das vor Ort aussehen kann, damit haben sich die Teilnehmenden im Rahmen von Vorträgen, Praxisbeispielen, Workshops und einer Podiumsdiskussion auseinandergesetzt.

Integration in einer offenen Gesellschaft

Prof. Dr. Albert Scherr, Direktor des Instituts für Soziologie der Pädagogischen Hochschule Freiburg, referierte am ersten Tag darüber, was Integration in einer offenen Gesellschaft heißt, wie sie gefördert werden kann und was sie für die Offene Kinder- und Jugendarbeit bedeutet. Aktuelle Integrationsdebatten werfen die Fragen auf, welche Unterschiede und wieviel Unterschiedlichkeit eine Gesellschaft aushalten kann, ohne dass ihr Zusammenhalt gefährdet ist. „Diese Fragen sind nicht trivial“, so Albert Scherr. „Denn die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse fordern zu Antworten heraus, die kontrovers sind und zu Konflikten führen.“ Außerdem sei das Bild einer bunten Mischung aller Unterschiede zu naiv, auch wenn man das bedauern mag. Auf eine Klärung von Integrationserfordernissen könne laut Albert Scherr nicht verzichtet werden. Sein Ideal der Offenen Kinder- und Jugendarbeit: „Ein Ort der lebendigen gemeinsamen Erfahrungsproduktion von Jugendlichen, die sich in Bezug auf Klassenlage, Bildungsniveau, Herkunft, Aufenthaltsstatus, Religion, politischer Orientierung usw. unterscheiden.“ Die anschließende Diskussion mit den Teilnehmenden zeigte, wie wichtig diese Debatte ist und dass hier Klärungs- und Handlungsbedarf besteht.

Spannende Podiumsdiskussion und verschiedene Workshops

Der zweite Tag der Jahrestagung startete mit einer Podiumsdiskussion, die sich mit Diffamierung der (Offenen) Jugendarbeit und anderer gesellschaftlicher Akteure durch politisch Andersdenkende und unserem Umgang damit befasste. Politisch aktuell war das Gespräch vor allem vor dem Hintergrund der kürzlich stattgefundenen (Kommunal-)Wahlen, die zu einem Erstarken antidemokratischer und populistischer Kräfte und deren Einzug in die Gemeinde- und Stadträte führten. Zwei konkrete Beispiele aus Jugendhäusern in Baden-Württemberg machten die strategischen und taktischen Muster der Angriffe solcher Kräfte auf die Offene Kinder- und Jugendarbeit deutlich. Neben Claudia Martin, MdL der CDU, Thomas Poreski, MdL der Grünen und Dr. Nils Schuhmacher, Universität Hamburg, kamen Verena Kriegisch, Kreisjugendreferentin Tuttlingen und Martin Wetzel, 1. Vorsitzender der AGJF zu Wort – unter reger Beteiligung des Publikums.

Die Nachmittage der zweitägigen Veranstaltung galten den vielen verschiedenen Workshops, in denen sich die Teilnehmenden über spannende und gesellschaftlich relevante Themen austauschten. Die Inhalte reichten dabei vom Begriff des „Klassismus“ über menschenrechtsorientierte Jugendarbeit, Inklusion und veränderte Lebenswelten bis hin zur Jugendsprache, gewaltfreien Konfliktlösung und Digitalisierung. Über die Grenzen hinaus warfen die Workshop-Leitenden auch einen Blick auf die deutschsprachigen Nachbarländer Österreich und Schweiz und zeigten, auf welche Phänomene sie im Schnittfeld zwischen pädagogischer Praxis und gesellschaftlichen Strömungen treffen und wie sie damit umgehen.

Positives Resümee

Alles in allem war es eine sehr gelungene Veranstaltung, was auch die durchweg positiven Rückmeldungen der Teilnehmenden bestätigt. Die Vorbereitungen für die nächste Jahrestagung laufen bereits und auch der Termin steht schon fest: 11. und 12. Mai 2020 im KVJS-Tagungszentrum in Gültstein.

Kontakt

Öffentlichkeitsarbeit Landesjugendamt

Telefon: 0711 6375-408