Tagung der Jugendamtsleitungen 2025

Herausforderungen und Perspektiven für die Kinder- und Jugendhilfe
Vom 25. bis 26. Februar 2025 trafen sich die Jugendamtsleitungen Baden-Württembergs zu der vom Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS) veranstalteten Jahrestagung im Bildungszentrum Schloss Flehingen, um über aktuelle Herausforderungen und Perspektiven in der Kinder- und Jugendhilfe zu beraten. Der Austausch stand im Zeichen zunehmender gesellschaftlicher Krisen und einer angespannten personellen Lage in den Jugendämtern. Themen wie Fachkräftemangel, die Zukunft der Jugendhilfe und die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Kinder und Jugendliche bestimmten die Agenda.
Der Dezernatsleiter des KVJS-Landesjugendamts Gerald Häcker eröffnete die Veranstaltung mit einem deutlichen Hinweis auf das zentrale Dilemma der Jugendhilfe: Steigende Fallzahlen, verursacht durch gesellschaftliche Krisen, stoßen auf überlastete Systeme und einen wachsenden Fachkräftemangel. Neue gesetzliche Vorgaben verschärfen die Situation zusätzlich. Dennoch betonte er die unverändert hohe Priorität des Kinderschutzes, auch und gerade in Krisenzeiten. „Die Jugendhilfe muss einem wachsenden Bedarf mit begrenzten Ressourcen begegnen.“
Ein zentrales Thema der Tagung war die Zukunft der Kinder- und Jugendhilfe. Heinz Müller vom Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz (ISM) stellte die Frage, ob es gelingen könne, ein resilientes und lernfähiges System zu entwickeln. Angesichts von Klimakrise, Migration und der Bedrohung der Demokratie sei es unerlässlich, die Jugendhilfe neu zu denken. Er forderte innovative Ideen und Strukturen, um den gesellschaftlichen Wandel zu bewältigen und die soziale Ausgrenzung benachteiligter Gruppen zu verhindern. Besonders hob er die Notwendigkeit hervor, das Verhältnis von öffentlicher und privater Verantwortung neu zu organisieren und flexiblere, sozialräumliche Strukturen zu schaffen, um gezielter auf individuelle Bedarfe reagieren zu können.
Die kritische Lage des Fachkräftemangels in der Jugendhilfe wurde von Dr. Corinna Funke (gfa | public – Die Beratungsmanufaktur für öffentliche Organisationen, Berlin) thematisiert. Sie berichtete von einer Lücke von 105.000 pädagogischen Fachkräften, die vor allem den Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD), die Kitas, stationäre Einrichtungen und die wirtschaftliche Jugendhilfe betrifft. Bis 2034 wird sich die Lage mit dem Ruhestand der Babyboomer weiter verschärfen. Die Referentin empfahl, die Personalgewinnung zu modernisieren, schnellere Prozesse zu etablieren und die Arbeitsbedingungen flexibler zu gestalten. Zudem sollten verstärkte Prävention, Poollösungen und die Digitalisierung genutzt werden, um den Anforderungen gerecht zu werden.
Im weiteren Verlauf des ersten Tages standen verschiedene Workshops auf dem Programm. Diese beschäftigten sich unter anderem mit dem Wandel in den Jugendämtern und Handlungsoptionen für besonders stark belastete Jugendämter. Im Plenum wurden die Ergebnisse der Workshops zusammengetragen und auf ihre Praxisrelevanz geprüft.
Zudem leiteten Dr. Nele Kaltenbacher (ehemals Usslepp) und Kathrin Kratzer, Mitarbeiterinnen der Organisationseinheit Jugendhilfeplanung und -berichterstattung de KVJS-Landesjugendamts, einen Workshop zur Versorgungssituation von Kindern mit herausforderndem Verhalten. Der Workshop geht auf das Vorhaben zurück, einen Bericht zum gleichnamigen Thema zu veröffentlichen.
Ziel der Publikation ist es, einen umfassenden Überblick über die (stationäre) Versorgungssituation in Baden-Württemberg zu geben und darüber hinaus Handlungsbedarfe zu identifizieren.
Die stellvertretende Vorsitzende der Kommission Kinder- und Jugendhilfe Barbara Brüchert erläuterte die für 2024 geplanten Meilensteine (Schwerpunkte), darunter eine Ausbildungsoffensive und die Anpassung der Personalnebenkosten. Für 2025/2026 stehe vor allem die inklusive Kinder- und Jugendhilfe im Fokus, ebenso wie die Verhandlung der Investitionskosten. Eine zentrale Herausforderung sei die Fachkräftesituation, doch man wolle gemeinsam auf Landesebene und vor Ort Lösungen finden.
Kristin Schwarz, Verbandsdirektorin des KVJS, stellte in ihrem Grußwort die Frage nach innovativen und nachhaltigen Lösungen in den Raum. Die Nutzung digitaler Tools und eine optimierte Verwaltung seien wichtige Schritte, doch allein diese würden nicht ausreichen, um die bestehenden Herausforderungen zu bewältigen. „Wir müssen Verantwortung neu denken und gemeinsam neue Wege gehen.“

© KVJS
Jana Ellwanger (Kommissarische Leiterin des Ref. Frühkindliche Bildung, Kultusministerium) präsentierte das neue Sprachförderkonzept „SprachFit“, das ab 2024 schrittweise ausgebaut werden soll. Ziel des Programms sei es, Kinder bereits vor der Schule sprachlich zu fördern.
Auch das Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG) war ein wichtiges Thema. Ab dem Schuljahr 2026/2027 werde es einen Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung und Betreuung für Grundschulkinder geben. Das umfangreiche Investitionsprogramm für den erforderlichen Ausbau der Bildungs- und Betreuungsangebote in Höhe von 358,6 Mio. Euro wurde von Petra Conrad (Leiterin Ref. Ganztagsschulen) und Dr. Simone Langendorf (Stv. Leiterin Ref. Ganztagsschulen) erläutert.
Im Anschluss stellte Ulrich Schmolz (Leiter Ref. Kinder, Schutzkonzepte, Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg) den Masterplan des Landes zum Kinderschutz vor, der fünf zentrale Arbeitsfelder umfasst. Aktionstage und Förderprogramme sind geplant, um den Schutz von Kindern zu stärken. Zudem wurde die Versorgung unbegleiteter minderjähriger Ausländer (UMA) und die gerechte Verteilung auf Bundesebene thematisiert.
Juliane Rath (Referatsleiterin Jugend, Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg) berichtet, dass bei der Prüfung des Landesrechnungshofs bezüglich des Landesförderprogramms Jugendsozialarbeit an öffentlichen Schulen verschiedene Punkte identifiziert wurden. Daraufhin wurde ein Arbeitsgruppenprozess gestartet, um eine Verwaltungsvorschrift (VwV) Schulsozialarbeit vorzubereiten. Das Ziel ist, die VwV zum neuen Schuljahr am 01.08.2025 in Kraft treten zu lassen.

© KVJS
Seitens des KVJS-Landesjugendamts informierten Michael Riehle (Stellvertretender Dezernatsleiter / Referatsleiter Hilfe zur Erziehung), Christoph Grünenwald (Leiter des Referats Grundsatz und Zentrale Adoptionsstelle), Marion Steck (Referatsleiterin Jugendarbeit, Förderprogramme und Landesverteilstelle UMA), Melissa Haußmann (Stellv. Referatsleiterin Kindertageseinrichtungen) sowie Dr. Nele Kaltenbacher (Teamkoordinatorin Jugendhilfeplanung und -berichterstattung) über weitere wichtige Themen der Kinder -und Jugendhilfe:
- Ganztagsfördergesetz (GaFöG),
- Situation unbegleiteter minderjähriger Ausländer (UMA),
- Novellierung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes
- Forschungsvorhaben
- Schulsozialarbeit/Startchancenprogramm
- der Erprobungsparagraph und KiTaFlex.
- AG Weiterentwicklung Kinderschutz,
- die stationäre Hilfe zur Erziehung
- aktuelle Versorgungssituation
Volker Reif (Jugendhilfeplanung und -berichterstattung, KVJS-Landesjugendamt) stellte den 17. Kinder- und Jugendbericht des Bundesministeriums vor. Der Bericht beleuchtet die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen für junge Menschen in Deutschland. Trotz steigender Krisen, wie Armut und Bildungsbenachteiligung, bleibe die Jugendhilfe ein zentraler Pfeiler im Aufwachsen junger Menschen. Der Bericht fordert unter anderem eine Weiterentwicklung der Fachpraxis, verstärkte Partizipation und eine Absicherung von Schutzkonzepten.
Alina Greiner (Leiterin MPD, KVJS) und Marco Nagel (Fachkoordinator MPD, KVJS) stellten den Medizinisch-Pädagogischen Dienst (MPD) vor. Der MPD unterstützt die Träger der Eingliederungshilfe (EGH) bei ihren Aufgaben, übernimmt stellvertretend bestimmte Aufgaben im Rahmen des SGB XI und leistet fachliche Stellungnahmen. Zudem ist der MPD in Arbeitskreisen und Gremien tätig, publiziert Fachartikel und bietet Fall- sowie Fachberatung an. Fort- und Weiterbildungen gehören ebenfalls zum Angebot.
In den Abschlussvorträgen wurden aktuelle Themen und Herausforderungen, die in enger Verbindung zur Weiterentwicklung der Jugendhilfe stehen, aus dem Landkreistag BW, Städtetag BW und Gemeindetag vorgestellt.
Die Tagung der Jugendamtsleitungen zeigte eindrücklich, wie groß die Herausforderungen für die Kinder- und Jugendhilfe in den kommenden Jahren sein werden. Durch die enge Zusammenarbeit von KVJS-Landesjugendamt, Ministerien sowie öffentlichen und freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe sollen neue Wege gefunden werden, um den Bedarfen der Kinder und Jugendlichen gerecht zu werden. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen war die Stimmung auf der Tagung von Zuversicht geprägt: Gemeinsam wolle man Lösungen entwickeln, um die Zukunft der Kinder- und Jugendhilfe nachhaltig zu gestalten.